Elektrokardiogramm (EKG)

Übersicht
Vorteile, Nachteile
Grenzen und Möglichkeiten
Typische Indikationen
Prinzip
Beteiligte Strukturen

Übersicht

Das Elektrokardiogramm (EKG) ist ein Verfahren zur Darstellung der Erregungsausbreitung im Arbeitsmyokard des Herzens. Die mechanische Herzaktivität wird dabei nicht abgebildet.

Es handelt sich um eines der ältesten diagnostischen Verfahren der Medizin. Seine Bedeutung ist ungebrochen und die technische Grundlage bis heute nahezu unverändert.

1882 leitete Augustus D. Waller an seinem Hund das erste Mal ein EKG ab.
Die in den folgenden Jahren verwendeten Instrumente wurden 1903 wesentlich von Willem Einthoven verbessert und für den klinischen Einsatz tauglich gemacht. Die von ihm eingeführte Terminologie wird noch heute verwendet. Nach ihm sind die Extremitätenableitungen benannt. Die zusätzlich später eingeführten Ableitungen sind nach Frank N. Wilson und Emanuel Goldberger benannt.

Das EKG ist das einzige Verfahren zur (sicheren und zweifelsfreien) Erkennung von Herzrhythmusstörungen sowie elektrischer Blockaden wie Schenkel- und Faszikelblöcke. Es ist außerdem wichtig, aber nicht beweisend, für die Diagnostik bei Koronarer Herzkrankheit und seiner Folgeerscheinungen (akuter Myokardinfarkt) und kann indirekt auf die Vergrößerung von Herzteilen hinweisen.

EKG-Aufzeichungen können in Ruhe und unter Belastung, invasiv über einen Gefäßzugang sowie über den Ösophagus und auch perioperativ intrakardial abgeleitet werden. Weil im EKG die Herzzyklen elektrisch erfasst werden, lässt sich damit auch die Herzfrequenz ablesen.

Die Auswertung eines EKG bedarf Sachkenntnis, Übung und Erfahrung.

Das EKG-Übungsbuch ist Teil des Kompetenznetzwerks Medizin und kann helfen, Übung im Umgang mit dem EKG zu erlangen. Mehr Informationen dazu auf https://www.ekg-übungsbuch.de.

Vorteile, Nachteile

Durch die einfache Durchführbarkeit des Ruhe-EKG ist es nahezu überall verfügbar und gehört zur Basisdiagnostik jeder Klinik und Praxis. Andere (invasive) EKG-Verfahren sind allerdings mit einem deutlich höheren Personal- und Materialaufwand vergesellschaftet.
Der größte Nachteil sind die sehr stark variierenden EKG-Kenntnisse.

Die Physiologie des Herzens vermittelt https://www.kardiophysiologie.info, die Seite ist Teil des Kompetenznetzwerks Medizin.

Grenzen und Möglichkeiten

In Bezug auf Herzrhythmusstörungen liegen Sensitivität und Spezifität (sofern die Aufzeichnung nur lang genug ist, um sie zu erfassen) bei praktisch 100%. In außergewöhnlich seltenen Fällen kann es bei Vorliegen mehrerer Erkrankungen zu einer Überlagerung kommen, die eine Erkennung verhindern oder erschweren.
Bezogen auf Myokardinfarkte sind Sensitivität und Spezifität geringer. Die meisten Myokardinfarkte zeigen EKG-Veränderungen, aber ein Teil präsentiert sich auch mit einem Normalbefund im EKG. Ein normaler EKG-Befund schließt also einen Myokardinfarkt keinesfalls aus. Zudem können sich manche Infarkte sehr dezent präsentieren.

Myokarditis und Perikarditis besitzen ein typisches EKG-Bild, das allerdings auch bei anderen Erkrankungen vorkommen kann. Bezogen auf Hypertrophien des Herzens und Elektrolytstörungen kann das EKG gelegentlich einen Anhalt geben, jedoch sind die sichtbaren Veränderungen unspezifisch.

Seine Aussagekraft ist auch maßgeblich davon abhängig, wie gut die EKG-Kenntnisse des Befunders sind. Im Wesentlichen gibt es keine verpflichtenden EKG-Kurse an den medizinischen Fakultäten, sodass der Kenntnisstand vom Eigeninteresse und der Eigeninitiative jedes einzelnen Studenten bzw. Assistenzarztes abhängig ist.

Die Fertigkeit zur Befundung und Interpretation eines EKG-Streifens muss stetig durch Übung verbessert werden. Nach der Befundung von mehreren hundert EKG-Streifen kann von allmählich von Routine gesprochen werden. Das gilt allerdings nur in Bezug auf Ruhe-EKGs. Die Auswertung von Langzeit-EKG, Belastungs-EKG und der weiteren Verfahren sind jeweils für sich genommen zu betrachten und benötigen ebenfalls Übung.

Vorschnelle Befundinterpretationen können zu Fehlbeurteilung und damit zur Fehlbehandlung führen.
Das EKG gehört prinzipiell zur Basisdiagnostik, das in seinen Grundzügen von allen klinisch tätigen Ärzt(inn)en, unabhängig von der Fachrichtung beherrscht werden sollte. Diese Ansicht wird durch den Gegenstandskatalog für das Staatsexamen und das ärztliche Berufsrecht gedeckt.
Die durchschnittlichen Kenntnisse im Umgang mit dem EKG variieren erheblich, auch innerhalb der Population der Fachärztinnen und Fachärzte sind sie nicht einheitlich.

Eine 2020 durchgeführte Meta-Analyse zahlreicher Ausbildungs- und Kenntnisstandstudien zeigte, dass sogar in der gepoolten Gruppe der Kardiologen nur rund 75% der EKG-Streifen korrekt befundet wurden.

(Quelle: Cook DA. et al. Accuracy of Physicians' Electrocardiogram Interpretations: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Intern Med 2020; 180: 1-11)


Typische Indikationen

- Herzrhythmusstörungen (einziges Diagnostikverfahren zur Detektion)
- akuter Myokardinfarkt (gute Sensitivität, mäßige Spezifität)
- Elektrolytentgleisungen (geringe Sensitivität, sehr geringe Spezifität)
- Links- und Rechtsherzhypertrophie (mäßige Sensitivität, sehr geringe Spezifität)
- Perikarditis, Myokarditis (gute Sensitivität, mäßige Spezifität)

Prinzip

Der überwiegende Teil der Masse des Arbeitsmyokards sind Kardiomyozyten. Diese sind nicht selbstständig zur Erregung fähig. Sie müssen durch elektrische Erregungswellen, die von den Zellen des Erregungsbildungssystems erzeugt werden, angeregt werden. Bei den Zellen des Erregungsbildungs- und -leitungssystems handelt es sich um spezielle Kardiomyozyten. Der wesentliche Unterschied zu den Zellen des Arbeitsmyokards sind besondere Ionenkanäle und Transporter in der Zellmembran.

Das Herz ist eine Doppelpumpe, die das Blut durch die Gefäße treibt. Es besteht aus zwei Teilherzen: linkes und rechtes Herz. Das rechte pumpt das Blut durch den kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf), das linke pumpt es durch den großen Kreislauf (Körperkreislauf).
Um ihre Funktion korrekt ausüben zu können, müssen beide Teilherzen synchronisiert werden. Diese Synchronizität wird durch einen Schrittmacher gewährleistet. Da der Schrittmacher im rechten Vorhof sitzt, kommt es zu verzögerten Erregungen in den unterschiedlichen Teilen des Herzens. Dennoch gelingt eine quasi synchrone Aktivität beider Teilherzen in Bezug auf die mechanische Herzaktion.

Ursache hierfür sind unterschiedliche elektrische Eigenschaften aller Teile des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems sowie der verschiedenen Anteile des Arbeitsmyokards. Auch hier sorgen unterschiedliche Ionenkanäle für verschiedene Erregungsbildungs- und Erregungsleitungseigenschaften.

Mehr zum Thema Elektrophysiologie des Herzens erfahren Sie auf der zum Kompetenznetzwerk Medizin gehörenden Webseite https://www.kardiophysiologie.info.

Beteiligte Strukturen

Im EKG wird die Erregungsausbreitung über dem Arbeitsmyokards in seiner Gesamtheit (Summationsvektor) dargestellt. Ein positiver Ausschlag im EKG zeigt einen Verlauf des Summationsvektors entlang des Vektors zwischen den Elektroden, ein negativer eine Bewegung in Gegenrichtung.

Das Arbeitsmyokard ist also nicht dargestellt, sondern dessen elektrische Aktivität. Die Aktivität des Erregungsbildungs- und -leitungssystems wird nicht direkt repräsentiert. Seine Masse ist zu gering, um noch vom EKG erfasst zu werden.