Myokardszintigraphie

Übersicht
Vorteile, Nachteile
Grenzen und Möglichkeiten
Typische Indikationen
Prinzip
Beteiligte Strukturen

Übersicht

Die Myokardszintigraphie ist ein nuklearmedizinisches Verfahren der Kardiologie, bei dem der Herzmuskel szintigrafisch argestellt wird. Im Rahmen einer solchen Untersuchung wird die Durchblutung des Arbeitsmyokards des Herzens beschrieben, daher wird das Verfahren auch als Myokardperfusionsszintigraphie bezeichnet.

Die Untersuchung zeigt bezüglich der Indikation Überlappungen mit anderen diagnostischen Verfahren der Kardiologie.

Vorteile, Nachteile

Vorteile:
- nichtinvasives Verfahren
- direkte Darstellung der Gewebeperfusion des Arbeitsmyokards unter Belastung und in Ruhe (keine andere Untersuchungsmethode kann das leisten)
- geringe bis mäßige Strahlenexposition
- gute zeitliche und gute räumliche Auflösung
- erlaubt den eigentlichen Nachweis von Ischämien und abgelaufenen Myokardinfarkten (die Koronangiographie weist den Gefäßverschluss nach, nicht das Infarktareal selbst)
- Darstellung von Veränderungen des Arbeitsmyokards im Rahmen von Erkrankungen, die zu einer Veränderung der Perfusion führen, vor allem Speichererkrankungen

Nachteile:
- großer Aufwand und zeitlich-organisatorische Belastung für die Patient(inn)en
- Verfügbarkeit hängt vom Personalbestand der jeweiligen Klinik oder Praxis ab
- keine Darstellung der Gefäßversorgung
- keine Beurteilung des Erregungsbildungs- und -leitungssystems

Grenzen und Möglichkeiten

Die Aussagekraft der Myokardszintigraphie in Bezug auf die Funktionalität des Arbeitsmyokards ist hoch. Jedes Myokardareal das normal perfundiert ist, ist grundsätzlich auch funktionsfähig. Verdickte oder dyskinetische Areale zeigen ein anderes Perfusionsmuster.
Damit erlaubt die Myokardszintigraphie die Beurteilung der Funktionalität des Myokards. Eine Beurteilung der Gefäße, die das Gewebe versorgen, ist jedoch nicht möglich.

Die Untersuchung ist niemals als Screening-Untersuchung für Herzerkrankungen vorgesehen, sie dient immer der Diagnostik in Fällen einer mittleren, aber keiner hohen Vortestwahrscheinlichkeit. Bei geringer Vortestwahrscheinlichkeit wird sie nicht durchgeführt, weil ansonsten die Gefahr einer Überbeurteilung nicht signifikanter Befunde zu befürchten ist. Ein jeder älterer Mensch, selbst wenn bisher nie kardiovaskulär auffällig, weist die Gefahr auf, in der Myokardszintigraphie keinen Normalbefund zu haben.
Eine auch geringe Abweichung führt jedoch in der Konsequenz zur Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, um höhergradige Erkrankungen zumindest auszuschließen. Daher wird die Untersuchung nicht zum reinen Screening verwendet.
Weil während der Untersuchung keine Intervention möglich ist, wird sie zudem nicht bei Patienten angewandt, die in unmittelbarer Lebensgefahr schweben.
Sofern der Patient nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt und die Untersuchung durchgeführt werden kann bzw. eine Kontraindikation für eine Koronarangiographie besteht, kommt die Myokardszintigraphie auch als Erstdiagnostik in Frage, insbesondere im Rahmen eines NSTEMI (Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt).

Die Untersuchung wird nüchtern durchgeführt. Medikamente, welche die Perfusion der Koronararterien beeinflussen, sollen einige Tage vorher abgesetzt werden. Anderenfalls kann das Ergebnis verfälscht werden, was erhebliche therapeutische Konsequenzen hat. Bei falscher Therapie auf Grund eines Befundes, der durch unsachgemäße Vorbereitung entstand, kann sich die Prognose eines Patienten signifikant verschlechtern.
Zu den Medikamenten, die abgesetzt werden müssen zählen unter anderem Beta-Blocker, Calciumantagonisten und Nitropräparate.

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Typische Indikationen

- Nachweis von infarktgefährdetem Myokard bei chronischer Ischämie ohne bisher stattgefundenem Infarkt
- Verlaufskontrolle bei koronarer Herzkrankheit (KHK)
- Diagnostik bei Patienten, bei denen eine Belastungs-Echokardiographie oder ersatzweise ein Belastungs-EKG nicht sinnvoll durchführbar ist
- Ausschluss von Perfusionsstörungen als Ursache von Herzrhythmusstörungen oder Erregungsleitungsstörungen
- Diagnostik stummer Infarkte
- Klärung, ob im Randgebiet eines ablaufenden oder abgelaufenen Infarktes noch vitales Gewebe vorhanden ist
- Prognostische Beurteilung einer bekannten KHK
- Abschätzung des Risikos für das Herz-Kreislauf-System vor Operationen
- Beurteilung der Relevanz bekannter Stenosen der Herzkranzgefäße auf die Perfusion
- Verlaufskontrolle nach Stentimplantation, Ballondilatation oder Bypass-Operation
- Beurteilung nicht lebensbedrohlicher thorakaler Schmerzen oder unklarer Atemnot, wenn der Nutzen einer Koronarangiographie ihre Risiken oder ihren Aufwand nicht rechtfertigt oder Kontraindikationen vorliegen

Prinzip

Die Untersuchung erfolgt nüchtern. Medikamente, welche die Perfusion der Koronararterien beeinflussen, sollen einige Tage vorher abgesetzt werden.
Der Ablauf entspricht grundsätzlich dem anderer szintigrafischer Verfahren, Besonderheiten ergeben sich aus dem Patientengut.
Während der Untersuchung erfolgt die intravenöse Gabe eines radioaktiven Materials, zumeist 201Tl-Thallium(I)-chlorid, alternativ kommt auch 99mTc-MIBI zum Einsatz.
Thallium reichert sich nur in gesunden Herzmuskelzellen an, weil es anstelle von Kaliumionen durch die Natrium-Kalium-ATPase in die Zelle befördert wird.
Gesundes Gewebe erfährt somit eine Anreicherung, nicht perfundiertes narbiges Gewebe nicht oder in deutlich geringerem Maße.

Die zu untersuchende Person wird zunächst belastet, körperlich durch eine Ergometrie oder medikamentös unter Verwendung von Adenosin oder Dobutamin, andere Stoffe kommen seltener zum Einsatz.
Kurz vor Ende der Belastung wird das radioaktive Material injiziert. Rund 5% werden im Myokard angereichert, der Rest verteilt sich auf Skelettmuskulatur, Leber, Nieren und Magen-Darm-Trakt.

Im Anschluss an die Untersuchung erfolgen die Stress-Aufnahmen in SPECT-Technik. Drei bis vier Stunden später, während dieser der Patient/die Patientin nüchtern verbleibt, wird eine zweite Aufnahme, in Ruhe, ebenfalls in SPECT-Technik durchgeführt. Das Nuklid wird dabei kein zweites Mal injiziert.

Statt mit Thallium kann die Untersuchung auch mit Technetium durchgeführt werden. Wegen der unterschiedlichen Eigenschaften dieses Nuklids kommt ein anderes Protokoll für die Durchführung der Untersuchung zum Einsatz.

Für bestimmte Patientengruppen hat sich ein leicht abgewandeltes Verfahren zur Perfusionsuntersuchung etabliert. Dabei wird statt einer Szintigrafie mit SPECT eine PET durchgeführt. Dabei kommen eine Vielzahl anderer Nuklide zum Einsatz, die sich durch eine kürzere Halbwertzeit mit dementsprechend geringerer Stahlenexposition (junge Patienten ) und eine bessere Schwächungskorrektur (stark übergewichtige Patienten) auszeichnet.
Auch im Falle von Menschen mit Mehrgefäßerkrankung (2 oder 3 der Hauptstammgefäße des Herzens mit Stenosen über 50%) bietet sich eine PET an.
Der Großteil der Untersuchungen wird mit Technetium durchgeführt.

Des Weiteren hat sich die herzphasengetriggerte SPECT-Myokardsperfusionsuntersuchung etabliert. Sie erlaubt die Beurteilung der Dickenzunahme der Herzwandmuskulatur während des ablaufenden Herzzyklus sowie von Wandbewegungsstörungen. Außerdem kann die Ejektionsfraktion ermittelt werden.

Beteiligte Strukturen

In der Myokardperfusionsszintigraphie wird das Arbeitsmyokard des Herzens beurteilt. Die Gefäße selbst, welche das Myokard versorgen, werden nicht betrachtet - das erfolgt in der Koronarangiographie.